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Stuttgarter Kickers: Der Baumeister des Erfolgs

Unter Trainer Mustafa Ünal hat Mannschaft entscheidende Schritte nach vorn gemacht und damit zum Aufstieg gebracht.

Stuttgarter Kickers:  Der Baumeister des Erfolgs

AIs die Stuttgarter Kickers am 27. September 2021 die Trennung von Trainer Ramon Gehrmann veröffentlichten, kam das für manche nach nur sechs Oberliga-Spieltagen überraschend. Noch viel größer aber war das Staunen, als bekannt wurde, wer den Zuschlag als Nachfolger erhielt. Mustafa Ünal - das war kein etablierter Trainer mit Renommee, der schon gezeigt hatte, dass er ähnlich knifflige Situationen im Aktivenbereich erfolgreich meistern kann. Das war ein No-Name-Coach aus den eigenen Reihen, Assistenztrainer der ersten Mannschaft und Coach der A-Junioren.

Die wenigsten trauten ihm zu, die Mission Aufstieg erfolgreich zu erledigen. Selbst unter den Führungsspielern herrschte eine gewisse Skepsis. Bringt dieser Mann ohne großartige Reputation die nötige Autorität mit? Zieht er seine Linie konsequent durch? Kann ausgerechnet er es schaffen, diesen ehemaligen Bundesligisten endlich aus den Niederungen der fünften Liga nach oben zu führen? 20 Monate später und vor dem letzten Oberligaspiel an diesem Samstag (15.30 Uhr) beim Freiburger FC kann die Antwort auf all diese Fragen nur „Ja“ lauten.

Auch Präsident Rainer Lorz lässt an dem großen Anteil des Cheftrainers am Erfolg keinen Zweifel: „Mustafa Ünal hat es geschafft, die Spannung permanent hochzuhalten. Die Fokussierung auf das Leistungsprinzip war ganz entscheidend, kein Spieler konnte sich ausruhen.“ Auch vor großen Namen macht der Coach nicht halt.

Foto: Baumann/Julia Rahn
Foto: Baumann/Julia Rahn
,,Mich bringt nichts so schnell aus der Ruhe, weil ich in meinem Leben oft genug Stress und Probleme hatte, die ich selbst lösen musste."

Mustafa Ünal, Kickers-Coach





Die nackten Zahlen dokumentieren die Qualität seiner Arbeit: In 64 Oberliga-Spielen unter seiner Regie wurden 50 Siege eingefahren, neunmal gab es ein Unentschieden, nur fünf Niederlagen mussten die Blauen seitdem hinnehmen. Eine eindrucksvolle Bilanz für den Baumeister des Erfolgs.

Natürlich war es ein Risiko, sich im September 2021 für Ünal zu entscheiden. Aber der damalige Sportliche Leiter Lutz Siebrecht hatte das Gefühl, dass der 39-Jährige der genau richtige Trainer für diese Mannschaft ist. Er hatte, ab und an auch gemeinsam mit dem Präsidenten, Ünal beim Coaching der U 19 ganz genau beobachtet. Wie dieser mit Rückschlägen umging und die Mannschaft danach sofort wieder in die Spur brachte, war auffallend. Wie er in einer klaren, motivierenden Ansprache die Fehler eindeutig benannte, ohne dem Team das Selbstvertrauen zu nehmen und ohne von seinen Vorstellungen abzuweichen, das beeindruckte. Ünal gelang es, diese Arbeitsweise auf die erste Mannschaft zu übertragen.

Unter seiner Regie legten die Blauen ihre Launen ab, sie treten nicht mehr so wechselhaft auf, sondern in den allermeisten Fällen dominant und gierig. So konsequent Ünal im Training seine Linie durchzieht, so flexibel reagiert er im Spiel. Machten es die schwierigen Bodenverhältnisse zu Beginn des Jahren erforderlich, schaltete seine fußballerisch überlegene Mannschaft auch komplett in den Kampfmodus und agierte nach vorne mit langen Bällen.

Die Werte des Vereins lebt der Mann mit dem Kickers-Gen vor. Immer in enger und vertrauensvoller Absprache mit seinem Trainerteam, an das er Kompetenzen abgibt und dann selbst auch einmal in die Beobachterrolle schlüpft. Läuft es allerdings nicht in die richtige Richtung, greift er ein.

Seine Vita hat ihn in seinem Handeln geprägt. Ünal wuchs in sehr einfachen Verhältnissen in Wiesensteig (Kreis Göppingen) auf, gemeinsam mit vier Brüdern und einer Schwester. Seinen Vater, der in den 1980er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen war, verlor er mit sieben Jahren. Der Papa hatte im Straßenbau gearbeitet, und auch Mustafa Ünal fing mit körperlicher Arbeit als Schlosser an, machte seinen Handwerksmeister und sattelte dann um als Lehrer. Er erinnert sich noch gut an die stressige Zeit: ,,Ich kam um 6 Uhr aus der Nachtschicht raus und hatte danach meine Lehrereingangsprüfung in Kirchheim. Ich wollte einen Beruf, den ich besser mit dem Fußball verbinden konnte“, sagt der frühere Spielmacher, der in der Jugend für den SC Geislingen spielte und es bei den Aktiven des TSV Bad Boll bis in die Landesliga brachte.

Der 39-Jährige sein Werdegang der Mannschaft ist sich sicher, dass ihm in der täglichen Arbeit mit hilft - auf und außerhalb des Platzes. ,,Mich bringt nichts so schnell aus der Ruhe, weil ich in meinem Leben oft genug Stress und Probleme hatte, die ich selbst lösen musste“, sagt Ünal. Er verbindet schwäbischen Fleiß und türkisches Feuer. Wobei er seine Emotionen gut kontrollieren und steuern kann, seinen Fokus verliert er nicht. Als Ruhepol dient dem Lehrer an der Körschtalschule Plieningen (für die Fächer Informatik, Wirtschaftslehre, Sport und Technik) seine Familie. Mit Ehefrau Esra und den Söhnen Ömer (3) und Mert (1) lebt er in Birkach. „Das ist mein Rückzugsort, die Familie hilft mir sehr, runterzukommen", sagt Ünal. Für Hobbys bleibt da wenig Zeit.

,,Wenn, dann versuche ich, joggen zu gehen oder Freunde zu treffen." Und mit was belohnt er sich, wenn es nach einem WFV-Pokal-Endspielsieg gegen Regionalligist TSG Balingen (3. Juni, 16.15 Uhr/Gazi-Stadion) auch mit dem Double klappen sollte? ,,Unabhängig vom möglichen Double - diese enorme Wertschätzung, die mir persönlich nach dem Aufstieg von so vielen Seiten entgegengebracht wurde, ist Belohnung genug." Belohnung für den Bauermeister des Erfolgs." Jürgen Frey