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Beruf & Weiterbildung

Wie viel Risiko darf es sein?

Das Herz sagt Musiker, der Kopf (oder die Eltern): "Mach doch lieber was Vernünftiges". Wie trifft man die richtige Entscheidung?

Wie viel Risiko darf es sein?

Irgendwas mit Musik? Wer seine Träume im Beruf umsetzen möchte, sollte vorher ein paar Fakten abklopfen.

Luftschlösser bauen, verrückten Plänen hinterherjagen oder doch lieber Vernunft walten lassen? Geht es um die Berufswahl müssen wir entscheiden, ob und wie viele Risiken wir eingehen wollen. Wer sich etwa für Berufe wie Autor, Musikerin, Schauspieler, Philosophin oder Influencer begeistert, muss mit Unsicherheiten und Hürden rechnen. Wann lohnt es sich, das Risiko einzugehen?

Stefanie Rektorschek arbeitet als Berufsberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie empfiehlt, sich bei der Berufswahl folgende Fragen zu stellen: Ist dieser Beruf tatsächlich so, wie ich ihn mir vorstelle? Woher kommt meine Begeisterung dafür? Kann ich das überhaupt? Was an diesem Beruf reizt mich genau? "Manchmal merken junge Menschen im Realitätscheck, dass der Beruf gar nicht so toll ist, wie sie es sich vorstellen. Oder, es nicht ihr Wunsch ist, Spitzensportler zu sein, sondern eigentlich der Wunsch von jemand anderem", sagt die Beraterin.

Eigene Fähigkeiten einschätzen

Zu einer realistischen Einschätzung gehört auch, sich ehrlich mit den eigenen Fähigkeiten auseinanderzusetzen. "Wenn man zum Beispiel Schauspieler werden will, macht es schon einen Unterschied, ob man schon Erfahrungen im Schultheater gesammelt hat, vielleicht sogar gutes Feedback bekommen hat, oder sich das Leben als Filmstar einfach glamourös vorstellt." Daher ist die Frage nach der inneren Motivation wichtig: Habe ich Spaß an der Tätigkeit an sich? Würde es mir auch Spaß machen, wenn sich der große Erfolg nicht einstellt?

"Es hilft auch sehr, um den Traumberuf herum nach einem Plan B, C oder D zu schauen, falls Plan A nicht auf Anhieb aufgehen sollte", sagt Rektorschek. In vielen Berufsfeldern gibt es neben einer risikoreichen Variante auch eine, die mehr finanzielle Sicherheit verspricht. Statt Influencer zu werden, kann man beispielsweise für Medien oder Unternehmen Social-Media-Inhalte erstellen. "Oftmals kann man auch das, was einen eigentlich an Traumjob Nummer Eins so reizt, zu Plan B mitnehmen", sagt Nico Rose, Coach und Professor für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management in Dortmund. "Wenn ich es mag, vor Menschen aufzutreten, muss das nicht immer auf der Bühne sein. Dann kann ich vielleicht auch als Lehrer oder Stadtführer glücklich werden."

Bei der Entscheidung, ob jemand ein berufliches Risiko eingehen will, sei es auch nicht ganz unwichtig, wie groß das eigene Sicherheitsbedürfnis ist. Das kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Die beiden Fachleute weisen zudem darauf hin, dass sich das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität auch im Laufe des Lebens ändern kann. Wer nicht nur sich selbst, sondern auch eine Familie versorgt, setzt vielleicht in dieser Phase des Lebens lieber auf die sichere Bank. Wer sich mit der Zeit ein gutes finanzielles Polster erarbeitet hat oder aus einem wohlhabenden Elternhaus kommt, kann dann womöglich mehr Risiko eingehen.

Sich ausprobieren ist erlaubt

„Wir haben außerdem in unserem Berufsleben viel Zeit, um verschiedene Dinge auszuprobieren. In den seltensten Fällen braucht jemand einen roten Faden im Lebenslauf", sagt Rose. Auch Rektorschek stellt fest: "Viele junge Leute tun sich mit der Berufswahl so schwer, weil sie glauben, eine Entscheidung treffen zu müssen, mit der sie den Rest ihres Lebens dann leben müssen." Stattdessen treffen Berufstätige der Beraterin zufolge heutzutage immer wieder aufs Neue Entscheidungen, gestalteten teilweise ihren Berufsalltag selbst aktiv mit. Der Entscheidung für einen Karriereweg darf man also manchmal gar nicht zu viel Bedeutung beimessen. „Ich glaube auch nicht, dass es eine Wahl gibt, die grundsätzlich besser ist als die andere oder die glücklicher macht," sagt Rose. „Es kommt darauf an, den richtigen Lebensentwurf für die richtige Person zu finden."

Doch wie finde ich nun heraus, was für ein Typ ich bin? Neben Selbstreflexion können Gespräche mit nahe stehenden Personen helfen. Auch bei einem Blick in die Kindheit kann man viel lernen. "Wenn man beispielsweise als Kind mit einem Limonadenstand im Stadtpark erste Erfolge gefeiert hat, kann man daraus schon ein gewisses unternehmerisches Talent ableiten und kann sich vielleicht eher dazu durchringen, das erste eigene Start-up zu gründen", so Rose.

Auch Interessenstests, wie sie zum Beispiel die Arbeitsagentur anbietet, können in diesem Selbstfindungsprozess unterstützen. „Grundsätzlich bin ich immer dafür, dass junge Leute ihren Träumen hinterherjagen", sagt Rektorschek. Viele Zweifel und Ängste ließen sich beim genaueren Hinsehen beiseite räumen. "Und einen Gang runterschalten und doch lieber was Sichereres machen, geht immer."
Von Sophia Reddig


Das bringen Tests zur Orientierung

Welcher Beruf passt zu mir? Welches Studium oder welche Ausbildung bereiten mich darauf optimal vor?

Es gibt so viele verschiedene Ausbildungsberufe und Studienfächer. Wie treffe ich hier die richtige Wahl? Neben Praktika, Berufsmessen oder Hochschultagen an Universitäten, können bei der Suche nach einer passenden Option auch Tests helfen. Viele Angebote sind kostenlos. So gibt es Online-Tests, die die eigenen Stärken und Interessen abfragen. Aber auch Wissens- oder Eignungstest für alle, die bereits konkretere Vorstellungen haben, welchen Beruf oder welches Studium sie anstreben. Um die eigenen Fähigkeiten und Interessen zu entdecken, können Schülerinnen und Schüler auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit den Online-Test Check-U absolvieren. Sie sollten vorab einen Account erstellen, diesen Test am Computer mit ausreichend Ruhe ausfüllen und sich für die Aufgaben und Fragen zwei Stunden Zeit nehmen.

Stärken und Schwächen

Am Ende erhalten Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Übersicht zu ihren Stärken und Schwächen sowie zu sozialen Kompetenzen. Zudem geht es um Interessen und berufliche Vorlieben sowie Vorschläge zu sechs Ausbildungs- und Studienfeldern.

Wer ein bestimmtes Fach studieren will, kann den kostenlosen Studienfeldbezogenen Beratungstest (SFBT) nutzen. Die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen müssen Teilnehmer für den Test anmelden. Daher gilt es, zuerst einen Termin mit einem Berufsberater zu vereinbaren. Der SFBT klärt anhand konkreter Aufgaben ab, ob die Fähigkeiten der Interessierten für das angestrebte Studium ausreichen. Eine ähnliche Option gibt es für Ausbildungsberufe - insbesondere für Schülerinnen und Schüler, die dies nach der zehnten Klasse anstreben. Beim kostenlosen Berufswahltest ist ebenfalls eine Anmeldung über einen Berufsberater oder eine Berufsberaterin möglich.
Von Isabelle Modler