Anzeige

Beruf & Weiterbildung

Start in die Berufsausbildung

 

Start in die Berufsausbildung

Foto: goodluz / Stock Adobe

Etwa 300 Ausbildungsberufe in Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungen stehen zur Auswahl. Aber was genau sind die Tätigkeiten in den einzelnen Berufen, und was wird verlangt? Darüber sollten sich Jugendliche und Eltern in der Berufsorientierung informieren. Das hilft, den Beruf zu finden, der zu den persönlichen Neigungen und Fähigkeiten passt.

Die Arbeitseinstellung ist wichtiger als Noten

Was sich Unternehmer wünschen: Künftige Azubis müssen eine Vorstellung von dem Berufsbild haben. Sie müssen auf die Frage, warum sie diesen Beruf lernen wollen, eine Antwort haben. Praktika helfen, Beruf und Unternehmen kennenzulernen.

Start in die Berufsausbildung-2
Auszubildende mit Arbeitsgeräten: Wichtig ist, eine Vorstellung vom Beruf und den Tätigkeiten zu haben, die dahinterstecken. Foto: Pilz

Ein Kfz-Meister im Landkreis Göppingen bringt es auf den Punkt: „Kommt jemand vom Bauernhof oder ist bei der Freiwilligen Feuerwehr, dann nehme ich ihn“. Seine Begründung: Der eine kann schaffen, und der andere mit Stress umgehen. Es sind die Erfahrungen und persönlichen Fähigkeiten, die bestimmte junge Menschen für die Ausbildungsbetriebe besonders interessant machen. Dass es dann doch nicht so einfach ist, sagt der Werkstattinhaber auch, denn in Mathematik sollte bei Real- und Hauptschülern möglichst eine Zwei im Zeugnis stehen. Sonst schaffen sie die Mechatronik in der Berufsschule nur mit Schwierigkeiten.

Welche Tätigkeit steckt hinter einem Beruf?

Zwar gibt es derzeit so viele offene Ausbildungsstellen wie noch nie. Doch zum einen suchen weiterhin viele Jugendliche eine Ausbildungsstelle und vor allem die Betriebe, die für eine gute, qualifizierte Ausbildung bekannt sind, können sich ihre Azubis immer noch aussuchen. Deswegen sollten jugendliche Bewerber auf zwei Fragen eine Antwort parat haben: Warum willst du diesen Beruf lernen? Und warum in diesem Unternehmen?

Das findet zumindest Zvonimir Markovic, der bei der IHK Stuttgart Schüler bei der Berufsfindung unterstützt. Viele schnappen einen Beruf durch Freunde oder Familie auf und bewerben sich dann als Lagerlogistiker oder Kaufmann. Doch welche Tätigkeit dahintersteckt, wissen sie nicht. Das bestätigt Jörn Maier, Geschäftsführer von Spinner Automation, die Mechatroniker und Industriemechaniker ausbilden. „Wir wünschen uns, dass die Bewerber ein Ziel mit der Ausbildung verbinden.“ Und sei es nur, dass bestimmte Tätigkeiten ihnen Freude bereiten. Schließlich investieren die Markgröninger drei Jahre Zeit und Geld in den Auszubildenden. Und grundsätzlich ist es das Interesse von Betrieben, den Menschen, den man selbst ausgebildet hat, auch im Unternehmen zu behalten.

Dass der IHK-Berater Jugendlichen rät, auch die Homepage des Unternehmens anzuschauen, was das Unternehmen macht und welche Kunden es hat, findet Maier dagegen schon anspruchsvoll. Natürlich zeugt es von Interesse, wenn sich die Jugendlichen auf ein Gespräch vorbereiten oder die Bewerbung gezielt für das Unternehmen schreiben. Doch der Geschäftsführer versetzt sich dann in die Lage der 16- bis 18-Jährigen, erinnert sich, dass er in diesem Alter selbst noch wenig Zugang zur Berufswelt hatte. „Durch Corona fehlen den Jugendlichen zudem erste Erfahrungen durch Praktika.“ Erst kürzlich saß ein 16-jähriger Bewerber hypernervös vor drei Unternehmensvertretern, sprach leise und zögerlich, dabei hat er mit seiner Teamleitung beim Roten Kreuz einiges an Team- und Kommunikationsfähigkeit vorzuweisen.

Durch Fragen Interesse zeigen

Wenn Geschäftsführer und Ausbildungsleiter solche Bewerber vor sich haben, müssen sie bedenken, wie ungewohnt die Situation für die Schüler ist, und für eine entspanntere Atmosphäre sorgen, findet Maier. Dann erfahren sie auch mehr über den Menschen.

Auch wenn sich viele Jugendliche wie Bittsteller vorkommen, ermutigt Markovic seine Schützlinge dazu, selbst Fragen zu stellen. Etwa, ob man auch in anderen Abteilungen arbeitet, um einen Eindruck von der ganzen Firma zu bekommen, ob es in der Ausbildung Projekte gibt, an denen die Azubis eigenständig arbeiten, oder wie die Übernahmechancen stehen. Denn letztlich zeigen sie dadurch ihr Interesse.

Genauso sieht das Benedikt Windaus: „Neugierig sein, nachhaken, engagiert und selbstständig arbeiten sowie ein Grundverständnis für den MINT-Bereich.“ So sieht ein idealer Bewerber für den Ausbildungsleiter von Pilz in Ostfildern aus. Vor allem wolle er ein Leuchten in den Augen der Jugendlichen sehen, wenn es um Technik geht, etwa wenn sie in ihrer Freizeit Technisches kreieren oder entsprechende Projekte in der Schule gemacht haben.

Ein exzellenter Einstieg seien Praktika – denn Schüler wie Unternehmen können sich dabei kennenlernen. Deshalb hat der Automationsspezialist während der vergangenen zwei Jahre im Rahmen der Corona-Maßnahmen so viele Praktika angeboten, wie es ging. Die fünf Tage im Betrieb sind durchorganisiert, sodass die Schüler die Produktion sehen, in der Lehrwerkstatt löten, bohren und programmieren können und sogar in der Fertigung und im Repair-Center dabei sind. „Wir wollen, dass die Schüler einen Eindruck von unserer Tätigkeit bekommen“, so Windaus. Dann könnten sie besser entscheiden, ob das Berufsbild und das Unternehmen ihnen liegen. Derartige Gelegenheiten sollten sich künftige Azubis nicht entgehen lassen.

Eine authentische Bewerbung ist entscheidend

Der IHK-Berater Zvonimir Markovic empfiehlt, dass Jugendliche ihre Bewerbungen selbst verfassen, denn das Unternehmen will nicht deren Eltern oder einen Bewerbungstrainer einstellen: „Authentisch ist entscheidend.“ Dann spreche nichts dagegen, dass jemand die Bewerbung Korrektur liest und Rechtschreibfehler wie Zeichensetzung kontrolliert. Aber wenn Fremdwörter oder Fachbegriffe drinstehen, die der Jugendliche nicht kennt, fällt ihm das eventuell während des Bewerbungsgesprächs auf die Füße. Die Schulnoten sind den Personalern zwar wichtig, aber nie entscheidend. „Wir wollen wissen, welcher Mensch nachher bei uns arbeitet“, sagt Maier. „Letztlich kommen Schüler zu uns und wollen Fachwissen lernen, und auch wenn wir natürlich junge Menschen prägen und weiterentwickeln, ihren Charakter behalten sie.“ Jens Gieseler