Anzeige

Filder-Zeitung

STAATSGALERIE STUTTGART: ,,GLITZER UND GIFT" - BIS 26. FEBRUAR

DIE AUSSTELLUNG PRÄSENTIERT SELTEN GEZEIGTE EXPONATE

STAATSGALERIE STUTTGART: ,,GLITZER UND GIFT" - BIS 26. FEBRUAR

Foto: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Foto: Walter Klein, Estate of George Grosz, Princeton, N.J/VG Bildkunst, Bonn 2022

Noch bis zum 26. Februar gibt es in der Staatsgalerie Stuttgart die Gelegenheit, in das Berliner Leben zwischen den beiden Weltkriegen einzutauchen. Die Ausstellung ,,Glitzer und Gift der Zwanzigerjahre - George Grosz in Berlin" präsentiert etliche selten gezeigte Exponate. Der Künstler entblößt die Abgründe dieser Zeit, die oft romantisierend als „golden" gilt.


Unerbittlicher Blick hinter den Vorhang

Vor allem seine zeichnerischen Arbeiten haben George Grosz berühmt gemacht. Mit wenigen Strichen zeigt er die Brutalität und Janusköpfigkeit, welche die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen ebenso prägen wie der oft verklärte ,,Tanz auf dem Vulkan" in den 1920er-Jahren.

Je mehr sie sich mit George Grosz und den Arbeiten aus seinen Berliner Jahren bis 1933 beschäftigt habe, desto aktueller sei er geworden, sagt Dr. Nathalie Lachmann. ,,Er wollte den Menschen den Spiegel vorhalten in der Hoffnung, dass sie sehen, wie die Welt tatsächlich ist. Er hatte ein unglaubliches Gespür dafür, was kommt." Grosz stellte mit spitzem Stift das Auseinanderdriften der Gesellschaft an den Pranger - die Kluft zwischen den Kriegsprofiteuren und jenen, die zunehmend unter die Räder kamen. Sein ,,Deutschenhass" hatte sich vor allem in den Jahren des Ersten Weltkrieges ausgebildet, als er in Lazaretten und Nervenheilanstalten sah, was der Krieg anrichtete.

Nathalie Lachmann hat die Ausstellung ,,Glitzer und Gift der Zwanzigerjahre - George Grosz in Berlin" kuratiert, die noch bis zum 26. Februar in der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen ist. Eine außergewöhnliche Schau: Nicht nur liegt die letzte große Grosz-Retrospektive nahezu drei Jahrzehnte zurück. Mehr noch: Es sind Arbeiten zu sehen, die von den Leihgebern nur selten auf die Reise geschickt werden, wie etwa das Ölgemälde ,,Die Sonnenfinsternis", das sonst im New Yorker Heckscher Museum of Art zu bewundern ist. Der Reichspräsident Paul von Hindenburg, ein aufgedunsener Popanz, ist hier umgeben von kopflosen Ministern und einem mit Waffen beladenen Mann, dessen Einflüsterungen er lauscht. Auf dem Tisch frisst ein Esel mit Scheuklappen Papier aus einer Krippe - ein Sinnbild für das Volk, das der Pressemaschinerie fadenscheinige Lügen abkauft. Die Federzeichnung „Die Gesundbeter" sei sehr empfindlich und werde ebenfalls nur selten ausgeliehen, sagt Lachmann. Gezeigt werden Ärzte, die bei der Musterung sogar Skelette für kriegstauglich erklären. Besonders freut sie sich, dass aktuell zwei ,,Schwestergemälde" in der Staatsgalerie nebeneinander hängen: die „Widmung an Oskar Panizza", das in der Staatsgalerie zu Hause ist, und ,,Metropolis", das sonst in Madrid im Museo Nacional Thyssen-Bornemisza hängt. „Das ist wirklich etwas Seltenes, die beiden gemeinsam zu zeigen."

,,Er wollte den Menschen einen Spiegel vorhalten in der Hoffnung, dass sie sehen, wie die Welt tatsächlich ist."
Dr. Nathalie Lachmann
Kuratorin der Ausstellung

Dass etliche dieser selten ausgeliehenen Werke nach Stuttgart gekommen sind, war so zunächst nicht geplant. Denn die Ausstellung hatte ursprünglich Sabine Rewald fürs New Yorker Metropolitan Museum of Art kuratiert. Rewald hatte schon eine Liste mit Zusagen von Leihgebern, da kam Corona und durchkreuzte die Pläne. Einem Gespräch von Professorin Christiane Lange, der Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart, mit Rewald ist es zu verdanken, dass die kostbaren Leihgaben nun in Stuttgart zu sehen sind. 116 Arbeiten sind es insgesamt, 58 davon aus dem Bestand der Staatsgalerie, andere von Das Kleine Grosz Museum, das der Schweizer Galerist Juerg Judin in einer umgebauten Tankstelle in Berlin eingerichtet hat, einer Alltagsarchitekturikone der Nachkriegszeit mit herrlich schwungvollem Freidach aus dem Jahr 1956.

Ganz neu ist das Konzept, mit dem Nathalie Lachmann ,,Glitzer und Gift" für die Staatsgalerie Stuttgart geschaffen hat. Ihr Hauptanliegen ist es, sichtbar zu machen, wie Grosz den glitzernden Vorhang, der so oft das Bild der 1920er-Jahre verklärt, lüftet und mit unerbittlichem Strich das Gift visualisiert, das damals ebenso präsent war.

In drei Räumen finden sich verschiedene Lebenswelten von George Grosz: seine Biografie, die Schrecken der Folgen des Ersten Weltkrieges und das Leben auf den Berliner Straßen und in den Straßencafés mit seinen Dandys, Prostituierten und Freiern, auch Mördern. Gegliedert sind die Themenbereiche durch leuchtende Farben. Ein weiterer - metaphorischer - roter Faden sind die drei Prozesse, in welche Grosz in seinen Berliner Jahren wegen seiner Arbeit verwickelt war - auch über mehrere Instanzen, wie beim „Christus mit der Gasmaske“. Dazu gibt es weiterführende Informationen. In den Ausstellungsräumen werden zudem Ausschnitte aus dem Film „Berlin - Die Sinfonie der Großstadt" aus dem Jahre 1927 sowie ein Interview mit Grosz gezeigt.

,,GLITZER UND GIFT" - INFO KOMPAKT

Ausstellungsführungen:
donnerstags, 18.30-19.30 Uhr,
sonntags, 15-16 Uhr

Kuratorinnenführung
mit Dr. Nathalie Lachmann:

26. Januar, 9. Februar, 18.30-19.30 Uhr

Kurzführungen zur Mittagszeit:
24. Januar, 31. Januar, 7. Februar,
21. Februar, 12.30-13 Uhr

Führung für Menschen mit Sehbeeinträchtigung und Blinde:
4. Februar, 14.30-15.30 Uhr

,,Jugend braucht Kunst":
Gefördert von den Freunden der Staatsgalerie Stuttgart
werden auf Anfrage kostenlose Workshops für Schulen
zu den Themen Kunst, Demokratie und Freiheit angeboten

Öffnungszeiten (bis 26. Februar):
dienstags bis sonntags, 10-17 Uhr,
donnerstags, Abendöffnung, bis 20 Uhr,
montags, geschlossen

Anfahrt:
Stadtbahn: U1, U2, U4, U9, U14
Bus: Linien 40, 42
Parken: Neue Staatsgalerie, Haus der Geschichte,
Landtag, Schlossgarten

Von Gabriele Metsker